Fishbowl-Diskussion mit Michael Roth - Die Vereinigten Staaten von Europa ist Eure Aufgabe

Ganz sicher ist sich Michael Roth nicht, ob er die Delegierten, die alle so seriös aussehen, duzen oder siezen soll. Er entscheidet sich dann für das Duzen. Und auch für die Delegierten ist der Politiker Kontakt zunächst gewöhnungsbedürftig. Nicht mehr „Danke für das Wort“ sondern eine kurze Namensvorstellung wünscht sich der Europastaatsminister aus dem Auswärtigen Amt.  Erst nach der Hälfte der Zeit, als  Amadou und Meryem ihre Fragen stellen, haben sich die neuen Regeln eingespielt.  Nach kurzem Händeschütteln und der Eröffnungs-Ansprache im Stehen entfaltet sich ein lebhaftes Frage und Antwortspiel zwischen den MEP-Delegierten und dem Europapolitiker. Zunächst ging es um die Krisenherde im Nahen Osten.   

Eines wollte Michael Roth zu Beginn der Fishbowl-Diskussion klar stellen: In der Außenpolitik gebe es kein Schwarz und Weiß sondern viele Varianten von Grau. Man müsse die Realität anerkennen wie sie  sei. Das führe dann eben dazu, dass man an Verhandlungstischen  nicht immer nur mit lupenreinen Demokraten zu tun habe, sondern auch mit Despoten wie Assad in Syrien. Der sogenannte IS gehöre aber nicht zu den Gesprächspartnern. Mit Blick auf Polen bekräftigte er, auch die Regierungen in Europa könne man sich nicht aussuchen. Sie sei gewählt und nun müsse die EU prüfen, ob die Reformen im Lande mit den demokratischen Regeln der EU übereinstimmen oder nicht.  In Bezug auf das EU-Referendum in Großbritannien sei er sehr skeptisch, denn auf der Insel sei über Jahrzehnte bei weiten Teilen der Bevölkerung eine europaablehnende Stimmung gewachsen.

Neben der Außenpolitik spielten auch andere Felder für die Jugendlichen eine wichtige Rolle: Was könne man gegen  Nationalismus und Populismus im eigenen Lande tun – wollte ein Delegierter wissen. Beides seien Resultate von Politik. Populisten und Nationalisten fielen nicht vom Himmel. Ihr Erfolgsrezept sei: Sie gäben einfache Antworten auf komplizierte Fragen. Natürlich hätten wir teilweise echte Probleme, Jugendarbeitslosigkeit sei in vielen Ländern eine Realität und die Perspektivlosigkeit vieler junger Menschen in den Vorstädten führe zu Radikalisierung. Aber die Abwendung von Europa und die Hinwendung zum Nationalstaat bringe keine Lösungen. Vielmehr verspreche die europäische Zusammenarbeit langfristig Wachstum und Stabilität.  

Es sei heute bequem und chic politisch desinteressiert zu sein und auf Politiker zu schimpfen. Was aber wirklich beschämend sei ist die Tatsache, dass in Deutschland die Dicke des Portemonnaies der Eltern über den Bildungserfolg der Kinder entscheide. Vielmehr müsse jedem Jugendlichen die gleichen Chancen gegeben werden, um seine Talente zu entfalten.  

 

Die letzte Frage bezieht sich noch einmal auf Europa. Ob es denn irgendwann die Vereinigten Staaten von Europa gäbe? Dies sei Aufgabe der kommenden Generation, also  der anwesenden Jugendlichen. Denn es sei noch ein langer Weg und derzeit sehe es ja eher so aus, als sei die EU auf dem Rückzug. Eines sei für ihn aber klar: ein  Zurück zum Nationalstaat sei für ein ausgeschlossen. Dafür seien die politischen Probleme, die wir heute zu bewältigen haben, einfach zu groß. Nur gemeinsam könnten wir sie lösen. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0